Auch Testamente können angefochten werden

Nicht immer sind die bedachten Erben mit dem Testament zufrieden. In der Regel muss man sich allerdings wohl oder übel mit dem letzten Willen des Erblassers zufrieden geben. Nur selten ist die Ausschlagung des ganzen Erbes attraktiv. Allerdings gibt es so genannte taktische Ausschlagungen, um den Weg für den Pflichtteil freizumachen. Vorliegend soll es um eine weitere Variante gehen, das gerechte Erbe zu erstreiten, und zwar um die Testamentsanfechtung.

Anfechtung nur einzelner Bestimmungen im Testament

Zunächst ist ganz wichtig zu beachten, dass streng genommen ein Testament nie als Ganzes angefochten werden kann, sondern immer nur einzelne Erklärungen im Testament. Wer Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Abfassung des Testamentes hat und aus diesem Grunde das Testament als Ganzes für ungültig hält, kann nicht anfechten, sondern muss die Unwirksamkeit des Testamentes durch das Zivilgericht feststellen lassen.
Allerdings schon hier der Hinweis: wer bereits geschäftsunfähig ist, kann noch testierfähig sein.

Vorrang der Auslegung

Die Anfechtung einer testamentarischen Bestimmung ist relativ selten, weil die vorrangige Auslegung meistens zum Ziel führt. Die Auslegung eines Testamentes ist recht großzügig möglich. Seine Grenze findet die Auslegung in der so genannten Andeutungstheorie, wonach der durch Auslegung ermittelte mutmaßliche Wille des Erblassers zumindest im Testament eine Andeutung gefunden haben muss. In Zweifelsfällen sollte allerdings wegen der unten noch angesprochenen einjährigen Ausschlussfrist vorsorglich eine Anfechtung erklärt werden.

Anfechtungsgründe

Nach § 2078 BGB kommen sowohl das unbewusste Abweichen von Wille und Erklärung als auch ein Motivirrtum als Anfechtungsgründe in Betracht. Beispiele: ein unbewusstes Abweichen von Wille und Erklärung kann vorliegen beim Verschreiben oder beim unbewusst falschen Verwenden von Rechtsbegriffen oder Fremdwörtern. Ein zur Anfechtung berechtigender Motiv Irrtum kann zum Beispiel vorliegen, wenn ausschlaggebend für die benachteiligende testamentarische Bestimmung ein Streit zwischen Erblasser und künftigem Erbe war und dieser dann überraschend beigelegt wurde, womit der Erblasser bei Abfassung des Testamentes nicht gerechnet hat, so der vom Oberlandesgericht Köln entschiedene Fall, veröffentlicht im Familienrecht Zeitung 1990, Seite 1038. Ein relevanter Motivirrtum kann auch bei Testamenten vorliegen, die vor der Wiedervereinigung mit Blick und besonderer Beachtung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in der DDR errichtet worden sind, weil in der Regel der Erblasser bei derartigen testamentarischen Bestimmungen nicht damit gerechnet hat, dass die Deutsche Demokratische Republik im Jahre 1990 untergehen würde.

Die Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten

Einen Spezialfall des zur Anfechtung berechtigenden Motivirrtums enthält § 2079 BGB. Hiernach kann ein Pflichtteilsberechtigter testamentarische Bestimmungen mit der Begründung anfechten, dass der Erblasser bei der Errichtung des Testamentes über die Pflichtteilsberechtigung im Irrtum war. Praxisrelevant sind hier diejenigen Fälle, in denen das Enkelkind des Erblassers nachträglich durch Tod des Elternteils pflichtteilsberechtigt wird, während der Elternteil zum Zeitpunkt der Abfassung des Testamentes noch lebte. Wirtschaftlich sinnvoll ist eine Anfechtung für das Enkelkind allerdings nur dann, wenn nicht sich aus dem Testament der Wille des Erblassers ergibt, auch das Enkelkind enterben zu wollen. Die Enterbung eines Elternteils erstreckt sich allerdings im Zweifel nicht auf die Abkömmlinge.

Wer ist Anfechtungsberechtigt?

Zur Anfechtung berechtigt ist jeder, dem durch eine erfolgreiche Anfechtung ein wirtschaftlicher Vorteil entstehen würde. Es muss sich allerdings um unmittelbare Vorteile handeln, so ausdrücklich der Wortlaut des § 2080 Abs. 1 BGB. In der Regel ist nur anfechtungsberechtigt, wer durch den Wegfall der angefochtenen Bestimmung entweder Erbe wird, einen erhöhten Erbteil erhält oder von auf dem Erbe lastenden Verpflichtungen befreit wird, insbesondere Vermächtnissen zu Gunsten Dritter oder Auflagen.
Wenn mehrere Personen anfechtungsberechtigt sind, kann jeder von ihnen allein sein Anfechtungsrecht ausüben, und zwar auch dann, wenn der resultierende Vorteil zugleich allen zufließt. Diese jahrzehntelang umstrittene Frage wurde zu Gunsten des Einzelanfechtungsrechts vom Bundesgerichtshof im Jahre 1985 höchstrichterlich entschieden (BGH NJW 1985, Seite 2025 (2026).

Form und Frist

Die Anfechtungserklärung kann grundsätzlich formlos erfolgen. Sie ist bei der Anfechtung von Erbeinsetzungen oder Enterbungserklärungen abzugeben gegenüber dem Nachlassgericht, welches dann die wirtschaftlich betroffenen (sonstigen) Erben von der Anfechtung amtlich informiert. Bei der Anfechtung von Vermächtnissen oder sonstigen Bestimmungen im Testament ist die Anfechtung hingegen nicht gegenüber dem Nachlassgericht, sondern gegenüber den Erben zu erklären. Da die Rechtsprechung auch Mischformen kennt, welche dazu führen, dass ein doppelter Anfechtungsgegner zu informieren ist, sollte vorsorglich immer gegenüber allen in Betracht kommenden Beteiligten die Anfechtung erklärt werden.
Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres seit Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund erfolgen. Bei nachträglicher Kenntniserlangung kann die Anfechtung also auch noch viele Jahre nach dem Erbfall erfolgreich geltend gemacht werden. Allerdings handelt es sich bei der Einjahresfrist um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist, wenn einmal der Zeitpunkt der Kenntniserlangung eingetreten und nachgewiesen ist. Insbesondere die bei der Verjährung oft anwendbare Hemmung durch Klageerhebung oder außergerichtliche Verhandlungen ist bei der Anfechtungsfrist nicht möglich!

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