Anspruchsübergang bei Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse oder des Sozialhilfeträgers

Unterhaltsberechtigte müssen vor Geltendmachung von Ansprüchen im eigenen Namen prüfen, ob wegen bereits erbrachter Leistungen des Sozialhilfeträgers oder der Unterhaltsvorschusskasse ein sogenannter Anspruchsübergang stattgefunden hat. In diesem Fall kann Zahlung in der Regel nur an die öffentliche Hand und nicht mehr an sich selbst verlangt werden. In vielen Fällen ist die Behörde allerdings auch mit einer Rückabtretung der übergegangenen Ansprüche einverstanden. Außerdem kann man sich über das Rechtsinstitut der sogenannten Prozessstandschaft in vielen Fällen behelfen.
Viele Einzelfragen zum Anspruchsübergang sind nach wie vor umstritten. Einen Überblick gibt das nachfolgende Urteil des BGH vom 27. September 2000.

Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen: XII ZR 174/98 ) zu den Grenzen des Anspruchsübergangs bei Unterhalt wegen Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit

Die Parteien schlossen, nachdem sie bereits acht Jahre zusammengelebt hatten, im Jahre 1989 die Ehe. Aus ihrer Beziehung stammen die Kinder A (geb. am 6. 8. 1984), G (geb. am 9. 6. 1986) und M (geb. am 21. 10. 1988), für die der Bekl. die Vaterschaft anerkannt hat. Seit der im September 1995 erfolgten Trennung der Parteien leben die Kinder bei der Kl. Diese ging Ende 1996/Anfang 1997 einer Tätigkeit als Telefonistin nach. Sie bezog für sich und den Sohn A Sozialhilfe, für die Kinder G und M wurden Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbracht. Das Sozialamt vereinbarte mit der Kl. am 19. 2. 1997 die Rückübertragung übergegangener Unterhaltsansprüche. Hinsichtlich der Unterhaltsvorschussleistungen erfolgte keine Rückabtretung. Der 1956 geborene Bekl., der italienischer Staatsangehöriger ist, war in Italien als ungelernter Bauarbeiter sowie in der Gastronomie tätig. 1980 kam er nach Deutschland und fand eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter. Nachdem ihm betriebsbedingt gekündigt worden war, verrichtete er in den folgenden Jahren Gelegenheitsarbeiten und war im Übrigen arbeitslos. 1994/95 war er als Eisverkäufer tätig. Von Juni bis November 1996 betrieb er selbstständig eine Pizzeria. Seitdem ist er wiederum arbeitslos und bezieht Arbeitslosenhilfe. Durch Anwaltsschreiben vom 12. 11. 1996 forderte die Kl. den Bekl. zur Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt ab Mitte November 1996 auf. Mit ihrer Klage, die dem Bekl. am 7. 4. 1997 zugestellt wurde, machte sie – entsprechend der ihr bewilligten Prozesskostenhilfe – zuletzt folgende (im Wege einer Mangelfallberechnung ermittelten) Ansprüche geltend: Kindesunterhalt für A: ab 1. 3. 1997 monatlich 54 DM; Kindesunterhalt für G und M: ab Rechtshängigkeit jeweils monatlich 44 DM, zahlbar ab dem ersten des der letzten mündlichen Verhandlung folgenden Monats an sie selbst und im Übrigen an das Jugendamt; Trennungsunterhalt: ab 1. 3. 1997 monatlich 38 DM sowie für die Zeit vom 15. 11. 1996 bis 28. 2. 1997 rückständigen Trennungsunterhalt von 137,50 DM und rückständigen Kindesunterhalt für A von 196,50 DM. Der Bekl. berief sich darauf, zur Leistung von Unterhalt finanziell außer Stande zu sein, da es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen sei, eine neue Arbeitsstelle zu finden.
Das OLG ist davon ausgegangen, dass sich die nach den vorgenannten Bestimmungen für das Bestehen von Unterhaltsansprüchen unter anderem maßgebende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht allein nach dem von ihm tatsächlich erzielten Einkommen richtet, sondern grundsätzlich auch nach den Mitteln bestimmt, die er bei gutem Willen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit erzielen könnte. Feststellungen zu der Frage, ob der Bekl. seiner Erwerbsobliegenheit genügt hat, hat es jedoch für entbehrlich gehalten, weil die Kl. bis einschließlich März 1998 Leistungen nach dem BSHG und dem Unterhaltsvorschussgesetz in einer die geltend gemachten Unterhaltsansprüche übersteigenden Höhe bezogen habe und schon deshalb für den vor der letzten mündlichen Verhandlung liegenden Zeitraum Unterhaltsansprüche nicht mehr durchsetzen könne. Hierzu hat das BerGer. im Wesentlichen ausgeführt:
Soweit die Kl. für sich und den Sohn A Leistungen der Sozialhilfe erhalten habe, seien die Ansprüche auf Trennungs- und Kindesunterhalt wegen der Schutzvorschrift des § 91 II 1 BSHG nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen, weil sie allein auf der im Sozialhilferecht nicht vorgesehenen Berücksichtigung fiktiver, wegen eines Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit zuzurechnender Einkünfte beruhten. Denn das Einkommen des Bekl. aus der bezogenen Arbeitslosenhilfe liege mit durchschnittlich rund 1116 DM monatlich für die Zeit bis Dezember 1997 und mit durchschnittlich rund 1056 DM ab Januar 1998 unter dem mit monatlich 1300 DM anzusetzenden unterhaltsrechtlichen notwendigen Selbstbehalt und reiche auch nicht aus, um den unter Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung mit mindestens 1200 DM monatlich anzunehmenden sozialhilferechtlichen Bedarf des Bekl. zu decken. Wenn ein Anspruchsübergang nach § 91 I 1 BSHG mangels Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners ausscheide, bleibe der Hilfeempfänger zwar grundsätzlich Anspruchsinhaber. Dies könne indessen zur Folge haben, dass er auf der Grundlage der unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung fiktiven Einkommens einen Unterhaltstitel erstreite und hieraus später, wenn der Unterhaltsschuldner eine neue Arbeitsstelle angetreten und zu pfändbarem Einkommen und Vermögen gekommen sei, erfolgreich die Zwangsvollstreckung betreibe. Da die bezogene Sozialhilfe nicht zurückzugewähren sei, bestehe somit die Möglichkeit einer doppelten Befriedigung des Unterhaltsgläubigers. Dieses Ergebnis sei nicht sachgerecht. Dem Unterhaltsgläubiger sei vielmehr die Durchsetzung des Anspruchs zu versagen, weil sein Begehren gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße. Das sei auch hier der Fall. Soweit die Kl. für die Kinder G und M Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezogen habe, gelte im Ergebnis nichts anderes. Auch insofern sei davon auszugehen, dass ein gesetzlicher Anspruchsübergang auf das Land in entsprechender Anwendung des § 91 II 1 BSHG, einer letztlich im Verfassungsrecht begründeten Schutzvorschrift zu Gunsten des Unterhaltsschuldners, ausscheide. Die Kl. könne deshalb für den Monat April 1997 nicht die vom AG zuerkannte Zahlung von Kindesunterhalt an das Jugendamt erreichen. Für die Zeit ab Mai 1997 stehe der Forderung der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Das hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
3. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des BerGer. Der Übergang eines nach bürgerlichem Recht bestehenden Unterhaltsanspruchs auf den Träger der Sozialhilfe ist nach § 91 II 1 BSHG ausgeschlossen, soweit der Anspruch darauf beruht, dass der Unterhaltspflichtige sich fiktive Einkünfte zurechnen lassen muss, die er durch zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte (Senat, NJW 1998, 2219 = LM H. 10/1998 BSHG Nr. 39 = FamRZ 1998, 818 [819]). Dass im vorliegenden Fall aus diesem Grund ein Übergang der Unterhaltsansprüche der Kl. und des Sohnes A auf den Träger der Sozialhilfe ausscheidet, hat das BerGer. rechtsfehlerfrei angenommen. Nach den getroffenen Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen werden, kann der Bekl. mit der bezogenen Arbeitslosenhilfe weder den unterhaltsrechtlichen notwendigen Selbstbehalt, den das BerGer. in Anlehnung an die Düsseldorfer Tabelle mit 1300 DM angenommen hat, noch den mit 1200 DM ermittelten sozialhilferechtlichen Bedarf decken. Letzterer müsste dem Bekl. indessen verbleiben, da ihm entsprechend dem Schutzzweck des § 91 II der gleiche Schutz zugute kommen soll, den er in der Lage des Hilfeempfängers hätte (vgl. Senat, NJW 1998, 2219 = LM H. 10/1998 BSHG Nr. 39 = FamRZ 1998, 818 [819]). Eine Unterhaltsverpflichtung des Bekl. käme folglich nur unter Berücksichtigung fiktiver Erwerbseinkünfte in Betracht, die im Sozialhilferecht – anders als im Unterhaltsrecht – keine Berücksichtigung finden.
4. Die Kl. ist deshalb aktivlegitimiert, ohne dass es einer Vereinbarung über die Rückabtretung ihrer Unterhaltsansprüche bedurfte. Die Unterhaltsansprüche des Sohnes A kann sie gem. § 1629 III BGB im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft geltend machen. Dass die Kl., wie die Revisionserwiderung meint, allein Unterhaltsansprüche verfolge, die durch das Sozialamt rückübertragen worden seien, und nicht solche, die mangels gesetzlichen Forderungsübergangs bei ihr bzw. A verblieben sind, kann nicht angenommen werden. Denn der für den einzelnen Unterhaltsgläubiger geltend gemachte Unterhalt bildet einen einheitlichen prozessualen Anspruch. In dem vorgenannten Sinn hat auch das BerGer. das Klagebegehren ersichtlich nicht verstanden. Für eine derartige Auslegung der prozessualen Willenserklärungen der Kl., die der Senat selbst vornehmen kann, bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Einer Rückabtretung hätte es im Falle eines Anspruchsübergangs auf den Träger der Sozialhilfe nur hinsichtlich derjenigen Unterhaltsansprüche bedurft, die vor Rechtshängigkeit der Klage, mithin vor dem 7. 4. 1997, entstanden sind. Hinsichtlich der danach entstandenen Ansprüche hätte ein Rechtsübergang auf den Prozess keinen Einfluss gehabt, sofern die Kl. – worauf sie gegebenenfalls hinzuweisen gewesen wäre – in Abweichung von ihrem Klageantrag auf Zahlung an das Sozialamt angetragen hätte (§ 265 II 1 ZPO; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 265 Rdnr. 13). Für die Zeit nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem BerGer. unterlag die Rechtsverfolgung ohnehin keiner Einschränkung. Im Hinblick auf diese Rechtslage kann das Klagebegehren aber nicht einschränkend in dem Sinne aufgefasst werden, dass die Kl. die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche teilweise davon abhängig machen wollte, dass rückabgetretene Forderungen verfolgt werden. Der in der Klageschrift enthaltene Hinweis auf die infolge der Rückabtretung fortbestehende Aktivlegitimation ist vielmehr dahin zu verstehen, dass die Kl. bestehende Unterhaltsansprüche in jedem Fall geltend machen könne und wolle. Nur eine gegenteilige Absicht hätte der Klarstellung bedurft.
5. Zu Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des BerGer., der Durchsetzung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt und auf Kindesunterhalt für A stehe der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, gilt der Grundsatz, dass Sozialhilfe gegenüber dem Unterhalt nachrangig ist (§ 2 II 1 BSHG), auch dann, wenn der nach § 91 I 1 BSHG vorgesehene Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger ausnahmsweise gem. § 91 II 1 BSHG ausgeschlossen ist (Senat, NJW 1999, 2365 = LM H. 10/1999 § 1361 BGB Nr. 69 = FamRZ 1999, 843 [845ff.] m.w.Nachw.). Da die Zielsetzung des Sozialhilferechts eine andere als die des Unterhaltsrechts ist und der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch durch das BSHG nicht berührt wird, haben die Leistungen nach diesem Gesetz keinen Einfluss auf Inhalt und Umfang des Unterhaltsanspruchs. Die Gewährung von Sozialhilfe ist demgemäss, wie auch das BerGer. angenommen hat, unterhaltsrechtlich nicht als bedarfsdeckende Leistung mit der Folge anzusehen, dass damit die Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und zugleich sein Unterhaltsanspruch entfiele.
Der Senat hat zwar erwogen, dass einem nach Gewährung von Sozialhilfe, aber ohne Rechtsübergang auf den Sozialhilfeträger erhobenen Unterhaltsbegehren der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen könne (Senat, NJW-RR 1999, 322 = LM H. 6/1993 § 1602 BGB Nr. 15; FamRZ 1993, 417 [419]). Dies ist allerdings – entgegen der Auffassung des BerGer. – nicht generell der Fall, weil sonst die gesetzlich gewollte Subsidiarität der Sozialhilfe außer Kraft gesetzt würde. Die Heranziehung des § 242 BGB bedarf vielmehr unter Abwägung der Interessen des Unterhaltsschuldners und des Unterhaltsgläubigers der Prüfung im Einzelfall (Senat, NJW 1999, 2365 = LM H. 10/1999 § 1361 BGB Nr. 69 = FamRZ 1999, 843 [846f.]). Eine Korrektur in dem genannten Sinn kommt dabei grundsätzlich nur für Unterhaltsrückstände aus der Vergangenheit in Betracht, wobei als maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung dieser Rückstände in Fällen der Zurechnung fiktiver Einkünfte bei dem Unterhaltsschuldner der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Unterhaltsrechtsstreits anzusetzen ist. In diesem Rahmen kann eine Beschränkung des Unterhaltsbegehrens nach § 242 BGB insbesondere dann zu erwägen sein, wenn anderenfalls in Mangelfällen die Gefahr besteht, dass der Unterhaltsschuldner mit derartig hohen Forderungen aus der Vergangenheit belastet wird, dass es ihm voraussichtlich auf Dauer unmöglich ist, diese Schulden zu tilgen und daneben seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen (Senat, NJW 1999, 2365 = LM H. 10/1999 § 1361 BGB Nr. 69 = FamRZ 1999, 843 [847] m.Anm. Diederichsen, LM § 1361 BGB Nr. 69; a.A. Winn, KindPrax 1999, 128 [132]; Zeranski, FamRZ 2000, 1057 [1061f.]).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kommt im vorliegenden Fall eine Anwendung des § 242 BGB nicht in Betracht. Unterhalt für die Vergangenheit in dem dargelegten Sinn ist zu Gunsten der Kl. und des Sohnes A vom AG lediglich für die Zeit bis zum 6. 4. 1997 zuerkannt worden.
Der auf diese noch streitige Zeit entfallende Unterhalt beläuft sich für die Kl. auf 162,60 DM und für A auf 231,80 DM, zusammen also auf lediglich rund 394 DM, und birgt angesichts seiner geringen Höhe nicht die Gefahr, dass es dem Bekl. im Falle einer Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse auf Dauer unmöglich wäre, den Rückstand neben dem laufenden Unterhalt zu tilgen (vgl. auch Senat, NJW-RR 2000, 1385 = FamRZ 2000, 1358 [1359]).
6. Soweit Unterhaltsvorschussleistungen gewährt werden, wie dies vorliegend für die Kinder G und M der Fall ist, geht der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Elternteil, bei dem es nicht lebt, nach § 7 I 1 UVG auf das jeweilige Bundesland als Träger dieser Leistungen über. Die Frage, ob ein Anspruchsübergang in Fällen, in denen die Unterhaltsansprüche auf der Zurechnung fiktiven Erwerbseinkommens beruhen, in entsprechender Anwendung des § 91 II 1 BSHG ausgeschlossen ist (s. oben unter 3), hat der Senat bisher offen gelassen (NJW 2000, 812 = LM H. 3/2000 UnterhaltsvorschussG Nr. 2 = FamRZ 2000, 221 [223]; NJW-RR 2000, 1385 = FamRZ 2000, 1358 [1359]). Sie bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Wenn die Ansprüche auf das Land Nordrhein-Westfalen übergegangen sind, kann die Kl., die insoweit ausschließlich Unterhalt für die Zeit ab Rechtshängigkeit geltend macht, die bis zum 31. 3. 1998 aufgelaufenen Unterhaltsbeträge als Prozessstandschafterin des Landes geltend machen (§ 265 II 1 ZPO). Den dieser Rechtslage angepassten Klageantrag auf Leistung des bis zur letzten mündlichen Verhandlung fällig gewordenen Unterhalts an das Jugendamt hat sie in erster Instanz gestellt. Dementsprechend hat auch das AG teilweise auf Zahlung von Kindesunterhalt an das Jugendamt erkannt. Wären die Unterhaltsansprüche der Kinder dagegen nicht auf das Land übergegangen, so wären die Kinder Anspruchsinhaber geblieben mit der Folge, dass die Kl. die Ansprüche als Prozessstandschafterin der Kinder (§ 1629 III BGB) geltend machen könnte. Eine bedarfsdeckende Anrechnung der Unterhaltsvorschussleistungen auf den Unterhaltsanspruch hat das BerGer. zu Recht abgelehnt. Da der gewährte Unterhaltsvorschuss – ebenso wie die Leistungen nach dem BSHG – eine subsidiäre Sozialleistung darstellt (Johannsen/Henrich/Graba, EheR, 3. Aufl., § 1601 Rdnr. 3; Wendl/Scholz, UnterhaltsR, 5. Aufl., § 6 Rdnr. 574; Schwab/Borth, Hdb. des ScheidungsR, 4. Aufl., Kap. IV Rdnr. 646; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rspr. zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rdnr. 561), müssen, wenn einerseits die sozialhilferechtliche Schutzbestimmung des § 91 II 1 BSHG entsprechend angewandt wird, andererseits auch die Erwägungen, die der Senat in der Entscheidung vom 17. 3. 1999 (NJW 1999, 2365 = LM H. 10/1999 § 1361 BGB Nr. 69 = FamRZ 1999, 843 [845ff.]) für Leistungen nach dem BSHG angestellt hat und nach denen der Nachrang der Sozialhilfeleistungen nicht davon berührt wird, ob im Einzelfall ein Anspruchsübergang stattfindet, für den Bereich von Unterhaltsvorschussleistungen gleichermaßen dazu führen, dass eine unterhaltsrechtliche Anrechnung ausscheidet. Es besteht kein sachlich berechtigter Grund, die Rechtslage insoweit anders zu beurteilen als bei Leistungen nach dem BSHG. Das gilt ebenfalls für die vom Senat grundsätzlich für möglich erachtete Korrektur der gesetzlichen Regelung nach § 242 BGB. Auch insoweit erscheint es allein angemessen, den Unterhaltsschuldner vor einer hohen Belastung wegen Unterhaltsrückständen zu schützen (vgl. auch Senat, NJW 2000, 812 = LM H. 3/2000 UnterhaltsvorschussG Nr. 2 = FamRZ 2000, 221 [223]). Vorliegend kommt hinsichtlich des Kindesunterhalts für G und M schon angesichts des Umstands, dass keine Unterhaltsrückstände für die Zeit vor Rechtshängigkeit zuerkannt worden sind, sowie angesichts der geringen Höhe des laufenden Unterhalts eine Anwendung des § 242 BGB nicht in Betracht.
7. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Ob die geltend gemachten Unterhaltsansprüche für die Zeit bis zum 31. 3. 1998 bestehen, hängt insbesondere davon ab, ob und gegebenenfalls inwieweit der Bekl. unterhaltsrechtlich als leistungsfähig anzusehen ist. Das gilt auch hinsichtlich des für April 1997 geltend gemachten Unterhalts für G und M. Der Anspruch kann insoweit nicht mit der Begründung verneint werden, mangels Anspruchsübergangs nach § 7 I UVG könne eine Zahlung an das Jugendamt nicht verlangt werden. Dass die Kl. auch für den Fall, dass die Kinder Anspruchsinhaber geblieben sind, Leistung an das Jugendamt beantragt hat, kann nicht zur Klageabweisung führen, da dies dem Bekl. nicht zum Nachteil gereicht. Denn die Leistung an den Dritten auf Antrag der Kl. erfolgt für den Bekl. mit befreiender Wirkung (vgl. §§ 362 II, 185 BGB). Da das BerGer. zur Frage der Leistungsfähigkeit des Bekl. keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen.
8. Damit das BerGer. im weiteren Verfahren auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinwirken kann, weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Kl. hat in erster Instanz hinsichtlich des Kindesunterhalts für G und M Zahlung ab dem 1. des der letzten mündlichen Verhandlung folgenden Monats an sich selbst und im Übrigen an das Jugendamt beantragt. Dem entspricht das Urteil des AG. Da für den Fall eines Anspruchsübergangs nach § 7 I 1 UVG auf das Land auch im weiteren Verfahren mit Rücksicht auf § 265 II 1 ZPO auf die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist, müsste die Kl. ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung mit der klarstellenden Maßgabe verbinden, dass die Zahlung erst ab dem 1. des auf die letzte mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz folgenden Monats an sie selbst und nur im Übrigen an das Jugendamt erfolgen soll. Die Erforderlichkeit einer entsprechenden Klarstellung hängt davon ab, ob eventuell bestehende Unterhaltsansprüche der Kinder G und M nach § 7 I 1 UVG auf das Land übergegangen sind. Das ist nach Auffassung des Senats der Fall. Zwar ist der Übergang eines Anspruchs des Hilfeempfängers auf den Träger der Sozialhilfe nach § 91 II 2 BSHG ausgeschlossen, soweit der Anspruch auf der Zurechnung fiktiver Einkünfte auf Seiten des Unterhaltspflichtigen beruht (s. oben unter 3.). Das Unterhaltsvorschussgesetz enthält indessen – im Gegensatz zum BSHG – keine derartige Einschränkung hinsichtlich des Anspruchsübergangs. Eine analoge Anwendung des § 91 II 1 BSHG im Rahmen des Forderungsübergangs nach § 7 I 1 UVG kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Unterhaltsvorschussgesetz eine im Wege der Analogie zu schließende Regelungslücke enthält. Nachdem der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Kindesunterhaltsrechts durch das Kindesunterhaltsgesetz andere Regelungen des BSHG, unter anderem die Rückabtretungsmöglichkeit (§ 91 IV 1 BSHG), und die Zulässigkeit der Geltendmachung künftigen Unterhalts (§ 91 III 2 BSHG), ausdrücklich in das Unterhaltsvorschussgesetz übernommen hat, ist die Annahme, bezüglich der nicht übernommenen Regelung des § 91 II 1 BSHG liege eine versehentliche Gesetzeslücke vor, nicht gerechtfertigt. Da die betreffende Problemlage schon längere Zeit vor dem In-Kraft-Treten des Kindesunterhaltsgesetzes bekannt war, der Gesetzgeber aber gleichwohl davon abgesehen hat, § 7 UVG auch hinsichtlich der Anwendbarkeit der sozialhilferechtlichen Schutzbestimmungen der Regelung des § 91 II 1 BSHG anzupassen, ist davon auszugehen, dass die unterbliebene Regelung der gesetzgeberischen Intention entspricht.
Der Annahme, dass eventuell bestehende Unterhaltsansprüche somit auf das Land übergegangen sind, kann nicht entgegengehalten werden, dass eine Unterhaltspflicht dann nicht besteht, wenn der Unterhaltspflichtige durch die Unterhaltsleistung in erhöhtem Maße sozialhilfebedürftig würde (vgl. Senat, NJW 1991, 356 = LM § 1361 BGB Nr. 58 = FamRZ 1990, 849 [850]). In der vorgenannten Entscheidung hat der Senat zu der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen ausgeführt, jede Unterhaltspflicht finde dort ihre Grenze, wo dem Betroffenen nicht die Mittel für den eigenen notwendigen Lebensbedarf verblieben. Diese sind aber in Fällen der vorliegenden Art allein auf Grund des Anspruchsübergangs auf den Träger der öffentlichen Leistung nicht in Frage gestellt, ebenso wenig wie in dem Fall, in dem der Unterhaltsberechtigte selbst Unterhaltsansprüche auf fiktiver Grundlage geltend macht.

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