Überschuldung der Erbschaft und Alternativen zur Erbausschlagung

Das Gesetz geht vom Grundsatz der unbeschränkten, aber beschränkbaren Haftung des Erblassers für die Nachlassverbindlichkeiten aus. Als Alternative zur Ausschlagung des Erbes kann er seine Haftung auf den Nachlass beschränken. In der Regel muss er hierzu die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens herbeiführen. Einen Sonderfall stellt die sogenannte Dürftigkeitsseinrede nach § 1990 BGB dar. Diese muss erhoben werden, wenn nicht einmal eine kostendeckende Masse zur Einleitung der vorgenannten Verfahren vorhanden ist.

Nachlassinsolvenzverfahren und Nachlassverwaltung

Grundsätzlich jederzeit, also auch noch Jahre nach Annahme der Erbschaft, kann der Erbe gewissermaßen den Nachlass aus den Händen geben, um ihn entweder durch das Nachlassgericht oder das Insolvenzgericht staatlich verwalten zu lassen. Er verliert dann zwar das Verfügungsrecht über den Nachlass, wird aber von seiner persönlichen Haftung im Gegenzug befreit. Zur Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist er sogar verpflichtet, wenn die Überschuldung des Nachlasses sich aufdrängt. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann er sich persönlich schadenersatzpflichtig machen, allein weil die rechtzeitige Antragstellung versäumt wurde. Der Antrag auf Nachlassverwaltung hingegen ist an keine besonderen weiteren Voraussetzungen geknüpft.

Die Überschwerungseinrede

Eine Überschuldung des Nachlasses muss nicht durch Verbindlichkeiten gegenüber Dritten in Form klassischer Gläubiger, die bereits zu Lebzeiten des Erblassers Forderungen begründet hatten, bestehen. Auch erbrechtliche Verbindlichkeiten wie Vermächtnisse oder Auflagen aus einem Testament können zur Überschuldung führen bzw. zum Erfordernis einer Haftungsbeschränkung. § 1992 BGB eröffnet hier die so genannte Überschwerungseinrede. Diese führt faktisch zu einer Beschränkung des Vermächtnisses auf maximal die Höhe des Nachlasswertes, wenn das Vermächtnis muss nur insoweit erfüllt werden, als der Wert des Nachlasses reicht.

Die Erbenhaftung in der Erbengemeinschaft

Vor der Teilung des Nachlasses kann jedes Mitglied einer Erbengemeinschaft die persönliche Haftung verweigern, wenn der Nachlass noch nicht aufgeteilt worden ist. Es muss dann eine entsprechende Einrede gegenüber dem jeweiligen Gläubiger erhoben werden, § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB . Vor der Teilung können die Gläubiger allerdings von der Erbengemeinschaft bereits verlangen, dass ihre Forderungen aus der Nachlassmasse befriedigt werden. Dieser Anspruch kann auch per Zivilklage geltend gemacht werden.

Haftung der Erben gegenüber dem Sozialhilfeträger

Regressansprüche des Sozialhilfeträgers ermöglichen nur den Zugriff auf den Nachlass, nicht aber auf das Privatvermögen des Erben. Dies regeln die §§ 92,102,103,104 SGB XII. Entsprechendes gilt für die Fälle der Betreuung, der Vormundschaft bei ungedeckten Kosten zum Zeitpunkt des Erbfalls, §§ 1836 e, 1908 i BGB.

Der Schutz des minderjährigen Erben gegenüber Nachlassgläubigern

Der minderjährige Erbe haftet nach § 1629 a Abs. 1 Satz 1 BGB zwar grundsätzlich persönlich, jedoch erst mit Eintritt der Volljährigkeit und dann auf das zum Zeitpunkt der Volljährigkeit vorhandene eigene Vermögen. Weiterer Hinzuerwerb danach fällt nicht in den Haftungsverband.

Das Aufgebotsverfahren

Das Aufgebotsverfahren dient der Klärung der Nachlassverbindlichkeiten. Zu beachten ist, dass Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte nicht zu den Beteiligten des Aufgebotsverfahrens gehören und deshalb eine Haftungsbeschränkung ihnen gegenüber nicht mit dem Aufgebotsverfahren erreicht werden kann. Auch bewirkt das Verfahren selbst die Haftungsbeschränkung noch nicht, sondern nur bei Beachtung der Jahresfrist des § 2014 BGB einen Vollsteckungsaufschub und nach Ende des Aufgebotsverfahrens die Ausschließungseinrede (oder auch Erschöpfungseinrede) des § 1973 BGB.

Die Errichtung eines Inventars

Die Errichtung eines Inventars führt nicht zu einer Haftungsbeschränkung. Sie ist aber ein wichtiges strategisches Mittel, um eine Haftungsbeschränkung vorzubereiten. Zum einen kann die Frist zur Durchführung des Aufgebotsverfahrens nach Errichtung eines Inventars nicht mehr versäumt werden. Außerdem eröffnet das Inventar die Grundlage für die gesetzliche Vermutung des § 2009 BGB, nämlich dass zur Zeit des Erbfalls weitere Nachlassgegenstände als die im Inventar angegebenen nicht vorhanden gewesen sind. Diese Vermutung erleichtert deutlich die Erhebung der so genannten Dürftigkeitseinrede nach §§ 1990, 1991 BGB.
Die Errichtung des Inventars erfolgt, indem ein vollständiges Nachlassverzeichnis beim Nachlassgericht eingereicht wird. Hierbei ist die Formvorschrift des § 2002 BGB zu beachten.

Fazit

Die Ausschlagung ist der einfachste Weg, sich von einem überschuldeten Nachlass zu trennen. Aufgebot, Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz sind Alternativen am ehesten dann, wenn die Ausschlagung wegen Fristablauf nicht mehr möglich ist oder aber zunächst viel für eine Werthaltigkeit des Nachlasses spricht. Bei Aufgebot, Nachlassinsolvenz und Nachlassverwaltung als Mittel der Haftungsbeschränkung sind nicht nur ggf. Fristen zu beachten, sondern praktisch vor allen Dingen, dass die Haftungsbeschränkung gegenüber den Gläubigern aktiv durchgesetzt werden muss. Die Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen durch Nachlassgläubiger ist grundsätzlich nach Annahme der Erbschaft faktisch möglich, auch wenn die Haftungsbeschränkung an sich greift. Dies gilt umso mehr, wenn Nachlassvermögen und Privatvermögen von dem Erben bereits vermischt worden sind, etwas durch Grundbuchumschreibung, Depotüberträge, Veräußerungen oder dergleichen. Die Haftungsbeschränkung als Einrede muss durch sogenannte Vollstreckungsgegenklage oder einen anderen Rechtsbehelf von dem Erben jeweils geltend gemacht werden. Das bedeutet auch: Die Beweislast für das Durchgreifen der Einreden liegt beim Erben. Auch wenn er in der Sache dann Recht bekommt, bleibt er unter Umständen auf den Verfahrenskosten sitzen, wenn etwa der Gläubiger seinerseits insolvent ist. Das Risiko, die Verfahrenskosten tragen zu müssen, besteht im übrigen auch bei den beschriebenen Verfahren von Aufgebot, Nachlassinsolvenz und Nachlassverwaltung, weil es sich jeweils um gerichtliche Verfahren handelt, welche Gerichtskosten auslösen, die zwar grundsätzlich aus dem Nachlass zu decken sind, aber bei Uneinbringlichkeit mangels Masse beim Antragsteller endgültig verbleiben.

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