Ansprüche des Nachbarn wegen herüberragender Zweige, Wurzeln und anderen Beeinträchtigungen durch grenznahe Bäume und Sträucher

Häufiger Gegenstand von Streitigkeiten sind grenznahe oder Grenzbäume und Sträucher. Beeinträchtigungen können sich aus Schattenwurf, Wurzeln, Laub oder auch herüberragenden Zweigen ergeben. Nicht immer besteht jedoch ein Unterlassungsanspruch, Beseitigungsanspruch oder gar Schadenersatzanspruch.

Berliner Nachbarrechtsgesetz

Zunächst sollte immer ein Blick ins Berliner Nachbarrechtsgesetz oder das jeweilige örtliche Nachbarrechtsgesetz geworfen werden. Nachfolgend seien die relevanten Paragraphen zur leichten Information wiedergegeben:
Achter Abschnitt. Grenzabstände für Pflanzen
§ 27 Grenzabstände für Bäume und Sträucher.
Der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks haben mit Bäumen und Sträuchern folgende Mindestabstände von den Nachbargrundstücken einzuhalten:
1. mit Bäumen, und zwar
a) mit stark wachsenden Bäumen, insbesondere der Rotbuche, der Linde, der Platane, der Roßkastanie, der Stieleiche, der Pappel, der Weißbirke, der Douglasfichte und dem Walnußbaum 3, 00 m
b) mit Bäumen, die nicht unter Buchstabe a oder c fallen . . .1, 50 m,
c) mit nicht hochstämmigen Obstbäumen 1,00 m
2. mit Sträuchern 0,50 m
§ 28 Grenzabstände für Hecken.
(1) Der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks haben mit Hecken von den Nachbargrundstücken folgende Mindestabstände einzuhalten:
1. mit Hecken über 2 m Höhe 1,00 m
2. mit Hecken bis zu 2 in Höhe 0, 50 m
(2) Absatz 1 gilt nicht für Hecken, die nach § 24 Satz 2 auf der Grenze gepflanzt werden.
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§ 29 Ausnahmen von den Abstandsvorschriften.
Die § § 27 und 28 gelten nicht für
1. Anpflanzungen an den Grenzen zu Flächen für die Land- und Forstwirtschaft, zu öffentlichen Verkehrsflächen, zu öffentlichen Grünflächen und zu Gewässern,
2. Anpflanzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen,
3. Anpflanzungen, die hinter einer geschlossenen Einfriedung vorgenommen werden und diese nicht überragen; als geschlossen gilt auch eine Einfriedung, deren Bauteile breiter sind als die Zwischenräume,
4. Wald.
§ 30 Berechnung des Abstandes.
Der Abstand wird von der Mitte des Baumstammes, des Strauches oder der Hecke bis zur Grenzlinie gemessen, und zwar an der Stelle, an der die Pflanze aus dem Boden tritt. Bei Hecken, die aus mehreren Pflanzreihen bestehen, wird der Abstand von der Mitte der Reihe gemessen, die der Grenze am nächsten steht.
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§31 Beseitigungsanspruch
Wird der vorgeschriebene Mindestabstand nicht eingehalten, so kann der Nachbar die Beseitigung der Anpflanzung verlangen. Der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte des Grundstücks sind befugt, stattdessen die Anpflanzung auf ihrem Grundstück zurückzuschneiden, sofern auch auf diese Weise ein den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechender Zustand hergestellt werden kann.
§ 32 Ausschluß des Beseitigungsanspruchs.
Der Anspruch nach diesem Gesetz auf Beseitigung von Anpflanzungen, die die vorgeschriebenen Mindestabstände nicht einhalten, ist ausgeschlossen, wenn der Nachbar nicht bis zum Ablauf des fünften auf das Anpflanzen folgenden Kalenderjahres Klage auf Beseitigung erhoben hat. Für Hecken, die beim Anpflanzen den vorgeschriebenen Abstand einhalten, beginnt die Frist, wenn sie über die nach diesem Gesetz zulässige Höhe hinausgewachsen sind.
§ 33 Ersatzanpflanzungen.
Werden für Anpflanzungen, bei denen der Beseitigungsanspruch nach § 32 ausgeschlossen ist, Ersatzanpflanzungen vorgenommen, so gelten für die Ersatzanpflanzungen die H 27 bis 32. Dies gilt nicht für die Ersetzung einzelner abgestorbener Heckenpflanzen einer geschlossenen Hecke.
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§ 34 Nachträgliche Grenzänderungen.
Die Rechtmäßigkeit des Abstandes einer Anpflanzung wird durch nachträgliche Grenzänderungen nicht berührt: § 33 gilt entsprechend.
§ 35 Wild wachsende Pflanzen.
Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für wild wachsende Pflanzen entsprechend. Als Anpflanzen im Sinne des § 32 Satz 1 gilt die Erklärung des Grundstückseigentümers gegenüber dem Nachbarn, daß er die wild wachsende Pflanze nicht beseitigen wolle.
Neunter Abschnitt. Übergangs- und Schlußvorschriften
§ 36 Übergangsvorschriften.
(1) Der Umfang von Rechten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen, richtet sich unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 2 nach diesem Gesetz.
(2) Der Anspruch auf Beseitigung von Pflanzen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes vorhanden sind und deren Grenzabstände den Vorschriften dieses Gesetzes nicht entsprechen, ist ausgeschlossen, wenn
1. der Nachbar nicht innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes Klage auf Beseitigung erhoben hat oder
2. die Pflanzen dem bisherigen Recht entsprechen.
§ 33 gilt entsprechend.
Das Berliner Nachbarrechtsgesetz im Volltext finden Sie hier → Das Berliner NachbarrechtDas Bürgerliche Gesetzbuch

Findet sich im Nachbarrechtsgestz keine klare Regelung, sollte ins allgemeine bürgerliche Gesetzbuch gesehen werden:
§ 910 BGB Überhang
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.
(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.
§ 906 Zuführung unwägbarer Stoffe
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.
(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.
Der allgemeine Anspruch zwischen Nachbarn folgt aus:
§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Ausschlussfrist

In der Rechtsprechung wird die fünfjährige Ausschlussfrist des Nachbarrechtsgesetzes streng gehandhabt. Allerdings beginnt die Frist immer wieder dann neu zu laufen, wenn sich die maßgeblichen Umstände geändert haben. Bei Bäumen und Sträuchern wird dies recht häufig der Fall sein. Im übrigen gilt die allgemeine Verjährungsfrist von 3 Jahren, §§ 195, 199 BGB.

Anspruchsgrundlage § 1004 BGB

Was kann konkret verlangt werden? Besser ist in der Regel ein allgemein gehaltener Antrag. Denn: Bei der Abwehr von Immissionen sind Anträge mit dem Gebot, allgemeine Störungen bestimmter Art zu unterlassen, zulässig. Aus der Natur des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 906 BGB folgt, dass es dem Grundstücksnachbarn überlassen ist, wie er die Störung beseitigen will. Der beeinträchtigte Nachbar hat regelmäßig keinen Anspruch auf die Vornahme einer bestimmten Maßnahme, wie die Störung zu beseitigen ist. Dementsprechend muss er aber auch nicht in seiner Klage angeben, welche konkreten Maßnahmen der Nachbar des Grundstücks, von dem die Störungen ausgehen, ergreifen soll, vergleiche Bundesgerichtshof Urteil vom 26. November 2004 Aktenzeichen V ZR 83 aus 04, Amtsgericht Hamburg-Altona Urteil vom 7. Dezember 2012 Aktenzeichen 317a C 146/11.

Bagatelleinwand

In der erwähnten Entscheidung hat das Amtsgericht Hamburg-Altona übrigens auch festgehalten, das Wurzelwerk echte Schäden verursachen kann und jedenfalls eine so erhebliche Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks bedeuten kann, dass ein Beseitigungsanspruch besteht. Der vielfach erhobene Bagatelleinwand greift also nicht. Auch bei anderen Beeinträchtigungen durch Pflanzen liegt die Bagatellgrenze eher hoch, trotzdem ist die Abgrenzung im Einzelfall schwierig.

Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis

Selbst wenn das Nachbarrechtsgesetz und die weiteren Vorschriften der § § 905 ff. BGB keine Anspruchsgrundlage für ein Eingreifen liefern, kann immer noch die Regel über das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis eine Anspruchsgrundlage bilden, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten ist. Dann kann es geboten und zumutbar sein, den anderen Nachbarn in der Ausübung seines Eigentums einzuschränken.

Baumschutzverordnung und Naturschutz

Viele Nachbarn berufen sich zur Verteidigung darauf, dass sie für die geforderten Maßnahmen einer Genehmigung durch die örtliche Umweltschutzbehörde oder das Grünflächenamt bedürfen, und diese nicht in Aussicht gestellt sei. Der Bundesgerichtshof hat bereits in BGHZ 120,100 39,146 erstmals festgestellt, dass naturschutzrechtliche Verbote die Störereigenschaft eines Grundstückseigentümers jedenfalls solange nicht infrage stellen, wie er mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung für die Beseitigung der Störungsquelle beantragen kann. Ob dies der Fall ist, müssen die Zivilgerichte selbstständig prüfen. Hierbei muss der Kläger nicht von sich aus nachweisen, dass eine Ausnahmegenehmigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erlangt werden kann, sondern allein im ansonsten Klage stattgebenden Urteil ist festzustellen, dass die Verurteilung unter dem Vorbehalt der Ausnahmegenehmigung erfolgt. Nur dann, wenn nach freier Überzeugung des Zivilgerichts fest steht, dass keinerlei Aussicht auf eine Ausnahmegenehmigung besteht, wäre eine Entsprechendeklage abzuweisen.

Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB

In Einzelfällen muss der an und für sich beeinträchtigte Nachbar die Beeinträchtigung dulden. Dies kann beispielsweise eben aus den erwähnten naturschutzrechtlichen Gründen der Fall sein. Entsprechendes gilt, wenn die nachbarrechtliche Ausschlussfrist verstrichen ist.

Entschädigung bei Duldungspflicht

Wer zur Duldung verpflichtet ist, verliert nicht alle Ansprüche, sondern kann unter Umständen einen billigen Ausgleich in Geld verlangen. Dies folgt aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.

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