Bestandsschutz im Kleingartenrecht

Die nach meiner Erfahrung häufigste Streitfrage im Kleingartenrecht betrifft den Bestandsschutz der Laube. Der in den §§ 18 Abs. 1 und 20 a Nr. 7 Satz 1 Bundeskleingartengesetz (BKleingG) geregelte Bestandsschutz beruht auf der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz. Geschützt wird die rechtmäßig errichtete Baulichkeit in ihrer bisherigen Funktion, so die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts [BVerwGE] 25, 162 f.). Der Bestandsschutz gewährleistet damit das Recht, eine bauliche Anlage zu erhalten und sie wie bisher zu nutzen. Voraussetzung für jeden Bestandsschutz ist in der Regel, dass die bauliche Anlage ursprünglich rechtmäßig errichtet wurde. Dies gilt nicht anders im Kleingartenrecht.

Die bauliche Anlage

Bestandsschutz nach Art. 14 Grundgesetz wird im Grundsatz nur für bauliche Anlagen gewährt. Erst recht gilt dies für die speziellen, den Bestandsschutz regelnden Vorschriften der § § 34,35 Baugesetzbuch. Ein Wochenendhaus oder eine kleine Gartenlaube erfüllen in der Regel die Anforderungen an eine bauliche Anlage. Zweifel können hingegen bestehen bei Schuppen, Steganlagen, technischen Installationen, Unterständen, provisorischen Hütten oder dergleichen. Die Anforderungen an eine bauliche Anlage sind in der Rechtsprechung umstritten. Überwiegend wird darauf abgestellt, ob die Anlage auf Dauer, mit gewissem Aufwand und fester Verbindung mit dem Boden errichtet worden ist. Außerdem kommt es nach überwiegender Auffassung auch auf den Nutzungszweck an. Dient die Anlage zum zumindest zeitweiligen Aufenthalt von Menschen, spricht dies für das Vorhandensein einer baulichen Anlage. Regelmäßig wird auch auf die Begriffsbestimmungen in den landesrechtlichen Vorschriften der jeweiligen Landesbauordnung abgestellt.

Liegt keine bauliche Anlage vor, kann sich der Bestandsschutz allerdings noch aus Sondergesetzen oder auch aus allgemeinen Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den Bestandsschutz bei baulichen Anlagen.

Bestandsschutz bei rechtmäßig und rechtswidrig errichteten Gebäuden

Bei der Prüfung des Bestandsschutzes ist unter anderem zu fragen, ob die bauliche Anlage, wie der Jurist sagt, materiell oder formell rechtmäßig war. Es kann nämlich vorkommen, dass die Behörde eine Genehmigung erteilt, diese jedoch rechtswidrig war. Dann war die bauliche Anlage ursprünglich formell rechtmäßig, weil eben der Eigentümer sich auf das Vorliegen einer Genehmigung berufen konnte, obwohl tatsächlich das Gebäude nicht dem geltenden Recht entsprach. Auch in derartigen Fällen wird überwiegend grundsätzlich von der Möglichkeit eines Bestandsschutzes ausgegangen.

In manchen Fällen sind bauliche Anlagen weder formell (also ohne Genehmigung) noch materiell (außerdem auch noch tatsächlich im Widerspruch zu den bei Errichtung geltenden Bau-Vorschriften) rechtmäßig errichtet worden. Auch in derartigen Fällen kann noch die spätere Gewährung von Bestandsschutz in Betracht kommen. Auch nicht rechtmäßig errichtete bauliche Anlagen können in einen dem Bestandsschutz vergleichbaren Rechtsstatus hineinwachsen, wenn die zuständige Behörde den illegalen Zustand wissentlich über einen längeren Zeitraum geduldet hat (Oberverwaltungsgericht Berlin, Monatsschrift für Deutsches Recht 1983, 165; Landgericht Hannover, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 1987, 23 f). Als längeren Zeitraum nennt das OVG Berlin eine Dauer von etwa 25 Jahren. Aber auch kürzere Zeiträume können im Einzelfall bereits Bestandsschutz begründen.

Kleingartenanlage auf der Insel Sylt

Grenzen des Bestandschutzes

Die Neuerrichtung einer baulichen Anlage an Stelle der bestandsgeschützten ist vom Bestandsschutz nicht gedeckt. Der Bestandsschutz endet mit der Beseitigung der baulichen Anlage. Er endet auch, wenn die bauliche Anlage nicht völlig beseitigt ist, die vorhandenen Teile aber nur noch mit einem einer Neuerrichtung gleichkommenden Aufwand (z. B. statische Neuberechnung des Bauwerks, Maßstab Kostenvergleich Sanierung zu Neuerrichtung) zu verwenden sind. Der Bestandsschutz endet auch ohne Eingriff in die bauliche Substanz, soweit und sobald die geschützte Nutzung “endgültig” aufgegeben worden ist. Die Endgültigkeit beurteilt sich nicht nach dem inneren Willen des Eigentümers, sondern danach, wie die Beendigung der ausgeübten Nutzung nach außen erkennbar in Erscheinung tritt. Eine nur vorübergehende Unterbrechung der Nutzung vernichtet den Bestandsschutz nicht. Der Eigentümer (der baulichen Anlage) hat insoweit eine gewisse “Nachwirkungsfrist”, innerhalb derer ihm Gelegenheit gegeben ist, die Nutzung wieder aufzunehmen. Maßgeblich für die Dauer dieser Frist ist die Verkehrsauffassung (BVerwG, Neue Juristische Wochenschrift 1977, 770).

Bestandschutz bei vertraglicher Verpflichtung zum Abriss

Problematisch ist der Bestandsschutz dann, wenn der Neupächter sich vertraglich zum Abriss bestimmter Bauteile verpflichtet hat. Vielfach kann diese Verpflichtung aber nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nachträglich für unangemessen und damit (teilweise) unwirksam erklärt werden, wenn die Abrisskosten vom Verpächter, etwa dem örtlichen Bezirksverband, künstlich niedrig gerechnet und so der Pächter über den wirtschaftlichen Umfang der Abrissverpflichtung getäuscht worden ist, vgl. hierzu den ausführlichen Beitrag des Verfassers – Überhöhte Abrisskosten im Schätzprotokoll sind rechtswidrig.

Bungalows und Wochenendhäuser im Außenbereich – Erlöschen des Bestandsschutzes bei längerer Nutzungsunterbrechung

Ursprünglich rechtmäßig errichtete Baulichkeiten können ihren Bestandsschutz weiterhin verlieren, indem die Baugenehmigung nachträglich unwirksam wird (BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2007 4 B 20.07 BRS 71 Nr. 113; BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 4 B 39/07 , BauR 2008, 482, BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1995 4 C 20.94 BRS 57 Nr. 67; so auch OVG Brandenburg, Beschluss vom 14. Februar 2006 OVG 10 S 4.05). Entscheidend ist, ob sich aus der zeitweiligen Unterbrechung der Nutzung ein dauerhafter Verzicht auf die genehmigte Nutzung entnehmen lässt. Ein praktisch häufiges Beispiel sind die zahlreichen im Außenbereich liegenden Bungalows und Wochendnhäuser in den neuen Bundesländern, welche oftmals nach Auszug der ursprünglichen Pächter jahrelang leer stehen. Als Anhaltspunkte hierfür kommen neben der Dauer der Nutzungsunterbrechung die Zuordnung des Grundstücks zum Außen- oder Innenbereich, der Wert der Bausubstanz, etwa äußerlich erkennbarer Verfall in Frage oder ob sich die wiederaufgenommene Nutzung in ihre Umgebung einfügt, ggf. wie stark sie ihr widerspricht. Nach dem vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Zeitmodell ist im ersten Jahr der Nutzungsunterbrechung anzunehmen, dass die Verkehrsauffassung stets mit der Fortsetzung der unterbrochenen Nutzung rechnet. Im zweiten Jahr besteht die widerlegbare Regelvermutung, dass die Verkehrsauffassung mit der Fortsetzung der Nutzung rechnet, und im dritten Jahr der Nutzungsunterbrechung besteht die umgekehrte Regelvermutung; hier muss der Bauherr besondere Gründe dafür darlegen, dass die Nutzung nicht endgültig aufgegeben ist (BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2007 4 B 20.07 BRS 71 Nr. 113; BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 4 B 39/07 -, BauR 2008, 482, vgl. auch OVG Brandenburg, Beschluss vom 14. Februar 2006 OVG 10 S 4.05 zit. in Juris). Mit der Wiedererrichtung bzw. Wiederaufnahme der Nutzung rechnet die Verkehrsauffassung in der Innenstadt länger als am Ortsrand (BVerwG, Urteil vom 19. September 1986 4 C 15.84 BRS 46 Nr. 62).Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Werthaltigkeit der Bausubstanz. Je aufwändiger die Bauausführung, desto eher ist damit zu rechnen, dass der Eigentümer an der Bausubstanz und der Nutzung festhält. Andererseits spricht eine geringwertige Bausubstanz dafür, dass die Anlage eher preisgegeben wird.

“Worst case” Abrissauflage oder Abrissverfügung

Im Pachtverhältnis der Verpächter oder Grundstückseigentümer, allgemein die Baubehörde können gegen rechtswidrige bauliche Zustände vorgehen. Die Aufforderung zum Abriss, in der Behördensprache die Abrissverfügung, ist das härteste Instrument. Entsprechend streng sind die Anforderungen an eine rechtmäßige Abrissverfügung. Für nähere Informationen hierzu empfehle ich den weiteren Beitrag – Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Abrissverfügung.

Sonderfall Laube

Lauben in Kleingärten sind auf fremdem Boden errichtete bauliche Anlagen. Sie werden nicht Bestandteil des Grundstücks, da sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Sie sind gemäß § 95 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sogenannte Scheinbestandteile und bleiben Eigentum des Kleingärtners. Der Wille, die Gartenlaube nur zu einem vorübergehenden Zweck mit Grund und Boden zu verbinden, wird bei einem Pachtverhältnis vermutet (Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen 92,70; Bundesgerichtshof NJW 1988, 2789). Dabei ist unerheblich, wie fest die Lauben mit dem Grund und Boden verbunden sind und ob sie sich leicht oder mit großem Aufwand entfernen lassen. Anderes kann aber bei zum Dauerwohnen errichteten Gebäuden gelten oder auch bei sonstigen Baulichkeiten auf einem Laubengrundstück, die etwa vollständig mit Mauerwerk errichtet wurden, so dass die Vermutung der nur vorübergehenden Verbindung des Bauwerks mit dem Grund und Boden nicht mehr greift. Die Nutzung einer Laube im Kleingarten setzt einen Kleingartenpachtvertrag voraus. Denn die Laube ist eine im Kleingarten zulässige bauliche Anlage, die der kleingärtnerischen Nutzung zu dienen bestimmt und ihr untergeordnet ist. Kleingärtnerische Nutzung und Nutzung der Gartenlaube sind insoweit untrennbar miteinander verbunden. Mit der Beendigung des Pachtvertrages endet auch das Recht des weichenden Kleingärtners, die Laube zu nutzen, obwohl die Vertragsbeendigung das Eigentum an der Gartenlaube unberührt lässt. Der Bestandsschutz, der auf den Schutz der ausgeübten Nutzung ausgerichtet ist, läuft daher “leer”, wenn niemand vorhanden ist, der zur Nutzung der Laube berechtigt ist. Die Tatsache, dass der Bestandsschutz objektbezogen ist, ändert nichts an dieser Rechtslage. Die Objektbezogenheit hat nur zur Folge, dass sich jeder Eigentümer der Laube, der aufgrund eines Kleingartenpachtvertrages zur Nutzung des Kleingartens berechtigt ist, auf den Bestandsschutz berufen kann und nicht nur derjenige, der die Laube errichtet hat. Der Bestandsschutz ist aber mit der Beendigung des Kleingartenpachtvertrages nicht endgültig beendet. Er wirkt nach, auch wenn die Nutzung der Gartenlaube durch Vertragsbeendigung aufgegeben wird. Die bestandsgeschützte Nutzung kann durch den Abschluss eines neuen Kleingartenpachtvertrages und die Übernahme der Laube wieder aufgenommen werden. Beim Pächterwechsel tritt also nur eine vorübergehende Unterbrechung der Nutzung der Laube ein, wenn der neue Pächter Eigentümer dieser Gartenlaube wird. Der Bestandsschutz wird dadurch wegen der Nachwirkung im Zuge des Pächterwechsels nicht beeinträchtigt.

Ende des Bestandsschutzes einer Kleingartenlaube

Die Nachwirkungsfrist, in der die Laube nicht genutzt wird, ist zeitlich nicht unbegrenzt. Sie endet endgültig, wenn der Pächter als Eigentümer der Laube diese entfernt oder wenn nach der Verkehrsauffassung mit einer Verpachtung des Gartens an einen Kleingärtner, z. B. wegen mangelnder Nachfrage, nicht mehr gerechnet werden kann. Problematisch sind in diesem Zusammenhang auch schriftliche Vereinbarungen mit dem Verpächter, in welchen sich der Pächter verpflichtet, bei Neuabschluss des Pachtvertrages einen Teilabriss vorzunehmen. Hier kann, obwohl wegen Bestandsschutzes eine derartige Verpflichtung an und für sich nicht bestand, aus der schriftlichen Vereinbarung eine rechtliche Abrissverpflichtung erwachsen, sofern die schriftliche Vereinbarung ohne Täuschung, Drohung oder sonst arglistig herbeigeführt worden ist. Wurde die Abrissverpflichtung beispielsweise aufgrund der Behauptung des Vereins unterzeichnet, es handele sich nur um eine Verpflichtung, die ohnehin bestehe und die Unterschrift nur dazu diene, “Klarheit in der Akte” zu haben, liegt eine Täuschung vor, die zur Anfechtung der damaligen Unterschrift berechtigen dürfte.

Die Rolle des Eigentümers und Zwischenpächters

Die Verpachtung von Kleingärten ist regelmäßig die Aufgabe des Zwischenpächters (örtlichen Bezirksverbands der Kleingärtner). Der eigentliche Grundstückseigentümer spielt nur selten eine Rolle, da er zwar eigentumsrechtlich, nicht aber vertragsrechtlich in Beziehung zum Schlusspächter, dem eigentlichen Nutzer und Kleingärtner steht. Der Eigentümer kann mangels Eigentums an der Laube, die nur Scheinbestandteil des Grundstücks ist, regelmäßig gegenüber dem Schlusspächter (Kleingärtner) keine eigenen Rechte geltend machen. Das Recht zur Nutzung und Weiterverpachtung einschließlich resultierender Besitzrechte hat er an den Zwischenpächter (den örtlichen Gartenverein, Bezirksverband o. dgl.) abgetreten. In der Praxis übt der Eigentümer seinen Einfluss deshalb nicht direkt auf die Kleingärtner, sondern über den Verband bzw. den Verein aus.

Vertragliche Sonderregelungen stets möglich

Nie zu vergessen ist eine sorgfältige Prüfung des Pachtvertrages. Dieser kann recht überraschende Abrissauflagen enthalten, die in der Regel wirksam vereinabrt sind, auch wenn es sich um einen Formularvertrag handelt, vgl. die neuere Entscheidung des BGH (Aktenzeichen III ZR 266/12, Urteil vom 21. Februar 2013) hierzu sowie den das Urteil kommentierenden Artikel
– Vertragliche Abrissauflage im Kleingartenpachtvertrag .

Rechtsprechung zum Bestandsschutz im Außenbereich

Wenn Sie Interesse an weiterer Rechtsprechung zum Bestandsschutz im Außenbereich  und in Splittersiedlungen haben, empfehle ich Ihnen den Artikel Rechtsprechung zum Bestandsschutz.

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